Das Bisexual Manifesto

Das Bisexual Manifesto aus den frühen 1990ern ist ein Meilenstein des bisexuellen Selbstverständnisses und hat schon damals klar gestellt, dass Bisexualität jenseits der Binaritäten gedacht werden muss – sowohl was sexuelle Orientierung als auch Geschlecht betrifft. 

Es wurde ursprünglich als Teil des Editorials der Zeitschrift Anything That Moves veröffentlich. In den hier verfügbaren Ausgaben 1 bis 3 (alle 1991) kann seine Entwicklung nachvollzogen werden. Dieser Text ist heute immer noch so aktuell wie vor 30 Jahren, denn mit vielen der Vorwürfe, denen damals schon deutlich widersprochen wurde, sind wir heute immer noch konfrontiert. Deshalb haben wir uns entschlossen, dieses Zeitdokument in einer deutschen Übersetzung zusammen mit dem Original-Text hier zu veröffentlichen.

We are tired of being analyzed, defined and represented by people other than ourselves – or worse yet, not considered at all. We are frustrated by the imposed isolation and invisibility that comes from being told or expected to choose either a homosexual or heterosexual identity. Monosexuality is a heterosexist dictate used to oppress homosexuals and to negate the validity of bisexuality.

Bisexuality is a whole, fluid identity. Do not assume that bisexuality is binary or duogamous in nature: that we have "two" sides or that we MUST be involved simultaneously with both genders to be fulfilled human beings. In fact, don’t assume that there are only two genders. Do not mistake our fluidity for confusion, irresponsibility, or an inability to commit. Do not equate promiscuity, infidelity, or unsafe sexual behavior with bisexuality. Those are human traits that cross ALL sexual orientations. Nothing should be assumed about anyone’s sexuality – including your own.

We are angered by those who refuse to accept our existence; our issues; our contributions; our alliances; our voice. It is time for the bisexual voice to be heard.

(Zitiert nach Issue #3, Sommer 1991 von Anything That Moves; Hervorhebungen aus (bis auf Interpunktion) gleich lautendem Text hier: Bi, Pan, and the Insufficiency of Prefixes)

Im Deutschen würde das in etwa so lauten:

Wir sind es leid, von anderen Menschen als uns selbst analyisert, definiert oder repräsentiert zu werden; oder noch schlimmer, überhaupt nicht berücksichtigt zu werden. Wir sind über die aufgezwungene Isolation und Unsichtbarkeit frustriert, die durch die ausgesprochene oder unausgesprochene Erwartung entsteht, man solle entweder eine homosexuelle oder eine heterosexeulle Identität wählen. Monosexualität ist ein heterosexistisches Diktat, das verwendet wird, um Homosexuelle zu unterdrücken und die Existenz von Bisexualität zu verneinen.

Bisexualität ist eine vollwertige, fluide Identität. Geht nicht davon aus, dass Bisexualität zwingend binär oder duogam ist: dass wir "zwei" Seiten haben oder gleichzeitig mit beiden Geschlechtern involviert sein müssten, um erfüllte menschliche Wesen zu sein. Geht nicht einmal davon aus, dass es nur zwei Geschlechter gibt. Verwechselt Fluidität nicht mit Verwirrung, Verantwortungslosigkeit oder der Unfähigkeit, verbindliche Beziehungen einzugehen. Setzt Promiskuität, Untreue oder unsafe Sexualpraktiken nicht mit Bisexualität gleich. Dies sind menschliche Eigenschaften, die es innerhalb aller sexuellen Orientierungen gibt. Niemand sollte Annahmen über irgendjemandes Sexualität machen, auch nicht über die eigene.

Wir sind verärgert über diejenigen, die sich weigern, unsere Existenz anzuerkennen; unsere Anliegen; unsere Beiträge; unsere Bündnisse; unsere Stimme. Es wird Zeit, der Stimme der Bisexuellen Gehör zu verschaffen.

(Übersetzung von Ralf Eckstein - konstruktive Rückmeldungen und Fehlerkorrekturen erwünscht)